Samstag, 4. November 2006

Click, Cut, Knock!

Noch während ich schlafend auf den kalten Fliesen liege, einzig meine Füße gewärmt von den Schuhen, die ich seit dem Abend vorher trage, höre ich ihre Schritte auf dem Holzverschlag des Treppenhauses.
Mein Ohr liegt press auf dem Sprung in Kachel B3. Wäre es ein Schachbrett.
Ihr schleppender Gang, ihr Gestampfe, ist kaum noch von den Bässen meiner Stereoanlage zu unterscheiden. Sie spielt es noch immer:
"weil sie einsam war - und so blond ihr Haar - und ihr Mund so rot wie Wein" singt Mr. Gore mit gebrochenem Deutsch, zitternd, irgendwo zwischen der wummernden Bassline und den Click ´n´Cut-Beats, wie man sie seit neustem nennt. Für mich klingen sie jedoch wie der Münzeinwurf an Kondomautomaten. Wären Werner Richard Heymann und Robert Gilbert stolz? War es doch Hildegard Knef? Nico von Velvet Underground? Es beunruhigt mich. Marlene Dietrich? Ich weiß es einfach nicht. Aber ich weiß: es ist wirklich alles andere als beruhigend. Beunruhigender ist zudem das Gefühl, dass es jede Sekunde an der Tür *KNOCK!*... da ist es!
Ich öffne meine Augen.
Falsch.
Geht nicht.
Ich öffne das Linke.
Auf dem rechten Auge liege ich drauf. Es schmerzt. Darauf kommt es aber nicht mehr an.
Ich nenne sie Bailey, die kleine Assel, die an meiner schmierigen Pfütze Speichel ihren Morgenspaziergang zelebriert. Fragend schaue ich sie an, ob sie denn nicht einen Schluck nehmen möchte. Ich glaube sie ist nicht dumm.
Es klopft ein zweites Mal an der Tür. Bailey und ich erstarren. Wir schauen uns an. Bailey verschwindet unter den schlecht verarbeiteten Silikonfugen zwischen B2 und A2.
Drecksack, lass mich nur allein!
Mit meiner rechten Hand greife ich blindlos nach oben, auf der Suche nach dem Türgriff. Weiß genau, er wird wieder abfallen und mich somit retten. Weiß aber genau, ich müsste meinen Oberkörper dazu ein stückweit aufrichten.
Es klopft ein drittes Mal und auch an dieser Stelle weiß ich, das würde den ganzen Tag so gehen.
Ich richte mich langsam auf. Fühle wie meine Finger sich beinahe selbstständig um den Türgriff schließen, während mein Kopf sie dafür aufs übelste beschimpft.
Der Griff fällt ab, wie ich es vorrausgesagt habe. Leider zu spät. Die Tür öffnet sich einen Spalt. Wie auch weiter? Liegt doch mein träges Ich mitten im Weg.
Sie zwängt ihren Nagetierartigen Körper hindurch. Wie das zierliche Mäuschen, dass jeden Morgen auf Gleis 6 über die Schienen huscht und im Gemäuer des gegenüber liegenden Bahngleises verschwindet. Morgen bekommt auch dieses einen Namen.
"Ich hole nur noch meinen Benjamini." sagt sie.
Ich lasse mich wieder auf die Fliesen fallen, sehe wie Bailey aus der Fuge spitzelt.
"Ich habe ihn mit Strohrum gegossen und brennen lassen." murmel ich.
Ich spüre ihre Blicke, wie sie meinen Rücken durchbohren. Laseraugen. Brenn Mistkerl, brenn!
Sie verschwindet in das, was von einem Schlafzimmer übrig ist. Stampfend. Wie ein Bauer.
Und ab hier erinnere ich mich nur noch an wenige Dinge: Blumenerde, Scherben, Schmerz und Mr. Gore, wie er mir leise zu singt:
"und wer von diesem Wein trank, konnt´ nie mehr glücklich sein".

2 Kommentare:

The Jumping Point hat gesagt…

Also ich weiß nicht genau ob ich das verstehe, ob man es verstehen kann oder soll, aber eins kann ich sicher sagen: ich habe es wirklich sehr gerne gelesen! Ich traue dir sowieso viel zu, aber damit hast du mich wirklich überrascht! Das war nicht nur voller guter Ideen sonder auch sehr gut geschrieben, es lässt sich wirklich gut lesen... Mehr davon, es wird höchste Zeit es raus zu lassen... ;-)

Lange + Weile hat gesagt…

Hui, da fühle ich mich tatsächlich geschmeichelt. Dankeschön! Entstand eigentlich in einer 3 Uhr nachts, Nacht und Nebel Aktion. Freut mich das er gefällt :-)